KI und HR - Roboter anstatt Menschen?

Der Megatrend der Digitalisierung hat mit der künstlichen Intelligenz (KI) einen Booster erhalten. Mit dieser KI (Englisch: Artificial Intelligence/AI) — wie Robots, ChatGPT und vielen weiteren HR-Tools — kann in der Personalarbeit (HR) sehr viel vereinfacht, automatisiert und auch digitalisiert werden. Überwiegen die Chancen die Gefahren? Und wie viel Human Resources ist noch notwendig?

Die Trend-Studien und erste Erfahrungen sprechen eine klare Sprache. Gemäss einer neuen KI-Studie von McKinsey werden die aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt rund zehnmal schneller und in 300-mal grösserem Umfang stattfinden. Die vierte industrielle Revolution wird durch Technologien wie KI, maschinelles Lernen, Robotik, das Internet der Dinge (IoT), Nanotechnologie, Biotechnologie, 3-D-Druck und andere disruptive Technologien vorangetrieben. Diese Technologien haben das Potenzial, die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten, Produkte herstellen und Dienstleistungen erbringen, grundlegend zu verändern.

Studien des World Economic Forum (WEF) zeigen auf, dass in den nächsten fünf Jahren mindestens 60% aller Kompetenzen der Mitarbeitenden ändern, was ein Upskilling dringend notwendig macht. Angestossen werden diese Aus-, Weiterbildungs- und Umschulungsprogramme durch Personalverantwortliche in enger Zusammenarbeit und Koordination mit der Geschäftsleitung und den Linienverantwortlichen.

Was sind die Chancen und Gefahren der KI?

Die Chancen liegen in der Automatisierung und im Tempo bei der Bearbeitung von HR-Aufgaben. weitere Chancen sind das Entstehen von neuen Jobprofilen; wie auch die Konzentration auf die Interaktion und weniger auf die Administration. Hier folgen ein paar Beispiele:

Talent Akquisition/Employer Branding:

  • Massgeschneiderte HR-Konzepte wie zum Beispiel bezüglich Employer-Branding-Strategie werden mittels präziser Formulierungen zum Beispiel an ChatGPT gestellt und innerhalb von Sekunden zur Verfügung gestellt.

  • Erstellung von Stelleninseraten («augmented writing»), welche passgenau auf die Organisation und potenzielle Kandidaten entwickelt werden. Dadurch können zum Beispiel mehr Frauen oder Männer, spezifische Altersgruppen oder Qualifikation etc. angesprochen werden. Beispiel in der HR-Praxis: textio.com.

  • Vorselektion Rekrutierung: Roboter (Bots) scannen Stichwörter in Bezug auf passende Praxiserfahrungen, Kompetenzen, Aus- und Weiterbildungen etc. und fassen diese in einer A-B-CTriage in Sekunden zusammen.

  • Analyse von Bewerbungsgesprächen werden mittels Videoanalysen und -auswertung bezüglich Sprechtempo, Tonalität, Bewertung von Schlüsselthemen, Logik bei Wiederholungen, paraverbalen Kommunikationselementen mit den Kriterien der Organisation abgestimmt und auf Verifikation und Falsifikation überprüft.

Personalbindung/Retention und Personalentwicklung:

  • Skill-Assessment-Plattformen: Auf der Basis von Entwicklungs- und Zielgesprächen ermöglichen Plattformen, die Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden zu bewerten und Skill-Gaps zu identifizieren. Diese Plattformen können auf KI und maschinellem Lernen basieren, um personalisierte Empfehlungen für Weiterbildungsmassnahmen zu geben.

  • Lernmanagementsysteme (LMS): Plattformen, die Unternehmen dabei unterstützen, interne Schulungen und externe Weiterbildungsangebote zu verwalten und den Lernfortschritt der Mitarbeitenden zu verfolgen.

  • E-Learning-Kurse und Online-Trainingsprogramme: Eine Vielzahl von digitalen Kursen und Trainingsprogrammen, die online verfügbar sind und Mitarbeitenden ermöglichen, ihre Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen zu verbessern. Es gibt viele Anbieter von E- Learning-Kursen und Online- Trainingsprogrammen, die eine breite Palette von Themen abdecken. Hier sind einige bekannte Plattformen und Anbieter:

    • Udemy.com/de ist eine beliebte Plattform für Onlinekurse, die eine Vielzahl von Themen anbietet, darunter Technologie, Business, Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheit und vieles mehr. Die Kurse werden von Experten in ihren jeweiligen Fachgebieten erstellt und können von Einzelpersonen erworben werden.

    • Coursera.org ist eine Plattform, die Online-Kurse von führenden Universitäten und Unternehmen anbietet. Die Kurse umfassen Themen wie Informatik, Wirtschaft, Gesundheitswesen, Kunst und Geisteswissenschaften. Teilnehmende können Zertifikate und sogar Abschlüsse erwerben.

    • edX.org ist eine weitere Plattform, die Online-Kurse von führenden Universitäten und Organisationen anbietet. Die Kurse umfassen Themen wie Technologie, Wirtschaft, Mathematik, Naturwissenschaften und vieles mehr. Teilnehmende können Kurse kostenlos belegen oder ein Zertifikat erwerben.

    • LinkedIn Learning.com bietet Tausende von Video-Trainingskursen zu Business, Fachthemen, Kreativität und Technologie an. Die Kurse werden von Experten in ihren jeweiligen Fachgebieten erstellt und sind für Abonnenten verfügbar.

    • Pluralsight.com konzentriert sich auf Technologie- und IT-Kurse, die von Experten erstellt werden. Die Plattform bietet Kurse zu Programmierung, IT-Infrastruktur, Datenwissenschaft, Cybersicherheit und anderen technischen Themen an.

Wie sieht der digitale HR-Alltag zukünftig zum Beispiel mit ChatGPT aus?

Auch hier ein paar konkrete Beispiele mittels openAI (kostenlos) aus der HR-Praxis:

  • On- und Offboarding-Checklisten werden automatisiert erstellt und aktualisiert.

  • Erstellung von Arbeitszeugnissen via Vorlagen (standardisierte Abläufe/Raster)

  • Bots stehen bei Fragen zu Anstellungsbedingungen oder internen Reglementen zur Verfügung (FAQ/Q&A).

  • Automatisierte Erstellung von Protokollen und Gesprächsnotizen mittels Robotics (sog. NLP – Spracherkennungssysteme)

Auch die Bewerbenden schlafen nicht

Selbstverständlich optimieren auch Bewerbende mittels KI ihren Lebenslauf in Bezug auf Stelleninserate und lassen ihr Motivationsschreiben automatisiert und massgeschneidert schreiben.

Die entscheidende Frage ist: Wer ist schneller und besser in der Nutzung von KI: Bewerbende oder die Firmen?

Was sind mögliche Gefahren der KI?

Im Bereich Human Resources (HR) kann die Verwendung von KI verschiedene potenzielle Gefahren und Risiken mit sich bringen, darunter:

  1. Bias und Diskriminierung bei der Rekrutierung: KI-Algorithmen, die für die Vorauswahl von Bewerbenden oder für die Durchführung von Bewerbungsgesprächen verwendet werden, könnten aufgrund von Voreingenommenheit in den Trainingsdaten oder des Algorithmus-Designs diskriminierende Entscheidungen treffen. Dies kann zu unfairen Einstellungspraktiken führen und die Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz beeinträchtigen.

  2. Mangelnde Transparenz und Erklärbarkeit: Einige KI-basierte HRSysteme verwenden komplexe Algorithmen, deren Entscheidungsprozesse schwer nachvollziehbar sind. Dies kann zu einem Mangel an Transparenz führen und es schwierig machen, Entscheidungen zu verstehen oder zu überprüfen, insbesondere wenn es um Einstellungsentscheidungen oder Leistungsbeurteilungen geht.

  3. Verlust der menschlichen Interaktion: Die zunehmende Verwendung von KI für Aufgaben wie das Screening von Bewerbern, die Überwachung von Mitarbeitenden oder die Durchführung von Leistungsbeurteilungen kann zu einem Verlust der menschlichen Interaktion und Empathie führen, was das Mitarbeiterengagement und die Arbeitsplatzzufriedenheit beeinträchtigen kann.

  4. Datenschutz und Privatsphäre: KIbasierte HR-Systeme erfordern oft die Sammlung und Analyse grosser Mengen persönlicher Daten von Mitarbeitenden und Bewerbenden. Dies birgt das Risiko von Datenschutzverletzungen und Missbrauch der Privatsphäre, insbesondere wenn diese Daten nicht angemessen geschützt werden.

  5. Urheberschutz/geistiges Eigentum: Personaldaten und -systeme unterliegen nationalen Gesetzen, die unbedingt berücksichtigt werden müssen.

  6. «Halluzinationen» ist ein Fachbegriff der KI. Insbesondere in den Bereichen des maschinellen Lernens und der neuronalen Netzwerke kann es vorkommen, dass das Modell «Halluzinationen» produziert, d. h., es erzeugt Ausgaben, die nicht auf realen Daten basieren. Dies kann passieren, wenn Muster in den Trainingsdaten identifiziert werden, die nicht repräsentativ sind, oder wenn es mit unerwarteten oder ungewöhnlichen Eingaben konfrontiert wird. Zum Beispiel kann ein Bilderkennungsmodell in der KI fälschlicherweise einen Vogel in einem Bild sehen, wo keiner ist, oder ein Spracherkennungsmodell könnte Wörter falsch interpretieren oder erfinden, die nicht im Eingabeaudio vorhanden sind. Diese ungenauen oder irreführenden Ausgaben werden als «Halluzinationen» bezeichnet, um darauf hinzuweisen, dass das KI-System etwas «erfunden» hat, das nicht korrekt ist. So kann zum Beispiel ChatGPT Fake News aus dem Web integrieren. Antworten, wie «das weiss ich nicht», gibt es kaum.

  7. Arbeitsplatzverluste durch Automatisierung: Die Automatisierung von HR-Prozessen mithilfe von KI-Technologien kann zu einem Verlust von Arbeitsplätzen in Bereichen wie Personalbeschaffung, Mitarbeitendenverwaltung und Lohnabrechnung führen, insbesondere für repetitive und administrative Aufgaben. Die Vergangenheit zeigt jedoch, dass mit einer neuen Technologie auch viele neue Jobprofile entstehen.

Um diese Gefahren zu minimieren und sicherzustellen, dass KI im HR-Bereich verantwortungsvoll eingesetzt wird, ist es wichtig, ethische Richtlinien und Good Practices zu entwickeln, Transparenz und Erklärbarkeit von KI-Entscheidungen sicherzustellen, Datenschutz und Privatsphäre zu gewährleisten und die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden sorgfältig zu berücksichtigen. Dies erfordert eine angemessene Regulierung, ethische Richtlinien und transparente Entscheidungsprozesse.

Wie geht es weiter?

Neue Instrumente und Systeme von unzähligen Start-ups und renommierten HRTool- Anbietern kommen wöchentlich auf den Markt. Auch wenn diese noch nicht immer vollends ausgereift sind, bringen diese schon erheblichen Mehrwert im HRTagesgeschäft.

Auf der Seite der Mitarbeitenden wird es noch mehr personalisierte Services geben:

  • Spezifische Benefits je Mitarbeitende oder Berufsgruppe

  • Flexiblere Arbeitszeitmodelle (Teilzeit, Remote, Freelancer und Projektmitarbeitende)

  • Massgeschneiderte, individuelle Entwicklungs- und Trainingsprogramme

Innovationen entstehen vor allem zusammen vor Ort

Kollaboration und die virtuelle Zusammenarbeit werden zunehmen: Um Innovationen voranzutreiben, müssen sich Menschen persönlich vor Ort miteinander austauschen können. Dies belegen diverse Studien, die in der Zeit der COVID-Pandemie durchgeführt wurden: Innovationen haben im Durchschnitt um 40% abgenommen! Für einen kurzen Info-Austausch sind die virtuellen Plattformen jedoch klar im Vorteil.

Wichtig ist, dass HR KI-Tools und -Methoden nicht alleine einführen sollte, sondern dass diese zur Gesamtstrategie des Unternehmens passen müssen und dass man auch hier genau selektioniert.

Es zeigt sich an obigem Beispiel der Innovationen, dass KI und Digitalisierung in einem ambivalenten Wechselspiel zwischen Technologie und Mensch stehen. Aufgabe von Human Resources ist es, eine ausgewogene Balance zwischen diesen beiden Polen zu finden. Geschäftsleitung, Leader und Mitarbeitende müssen auf dieser Reise durch HR mittels «Rüttelstrecke» mitgenommen und herausgefordert werden.

Quellen
Studien des World Economic Forum (Upskilling-Report WEF/02/24), McKinsey (KI-Studie 06/23), ChatGPT (04/24) und National Aeronautics and Space Administration (NASA/03/24)

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